von Dorothee Vakalis

Bis zur Schließung des Lagers in Idomeni Ende Mai 2016 gab es eine Medienöffentlichkeit, es wimmelte auf den Feldern von Kameras und Mikrophonen!…. Idomeni kennt heute alle Welt. Jenseits aller humanitären Standards gab es trotzdem ein soziales Klima: kreative Aktionen, improvisierte Vorzelte, Feuerstellen, Figuren aus Abfall und zu Spielzeug Umfunktioniertes. Vor allem gab es die große Hoffnung in den Gesichtern, doch noch weiter zu kommen…. In der europäischen Öffentlichkeit begann sich die Auffassung auszubreiten, dass solche unwirtlichen Zustände in Europa nicht sein dürfen. Weiterlesen

Arbeitsmarkt und Migration in Europa
von Sebastian Gerhardt

Rassistische Hetze gegen Migranten gehört zum Markenkern jeder rechten Politik, die eine Massenbasis mobilisieren soll. Das zeigen der Wahlkampf von Donald Trump und die Brexit-Kampagne von Boris Johnson und UKIP. Das zeigen der Aufstieg der AfD oder die lange Karriere des Front National in Frankreich. Für diese Politik gibt es einen schlichten Grund: Erfolg. Immer wieder gelang es, auf diesem Weg von dem entscheidenden Widerspruch zwischen unten und oben abzulenken, Solidarität zu verhindern, die Konkurrenz unter den Beschäftigten und Erwerbslosen zu verschärfen eine unsoziale Politik durchzusetzen. Seit 1986 gibt es die gewerkschaftliche Aktion der gelben Hand gegen Rassismus.(http://www.gelbehand.de) Sie war damals so nötig wie heute. Immer wieder aufs Neue muss gezeigt werden: Gewerkschafter und Linke haben bei der Spaltung der arbeitenden Klasse in verschiedene nationale Gruppen nichts zu gewinnen. Es geht nicht darum, die Überzeugten noch einmal zu überzeugen. Es geht darum, die Kolleginnen und Kollegen für die besondere Anstrengung der Solidarität zu gewinnen. Dazu sollen hier von vielen möglichen nur drei Fragen behandelt werden. Weiterlesen

Am 26. Oktober beteiligten sich rund zwei Millionen Schülerinnen, Schüler und Studierende an einem Generalstreik, der vom Sindicato de Estudiantes (SE) (etwa: Studierenden-Gewerkschaft) organisiert wurde. 200.000 nahmen landesweit an über sechzig Demonstrationen teil. Unterstützt wurden sie landesweit vom Elternverband und regional von Gewerkschaftsorganisationen.
Hintergrund ist der Plan der Regierung, so genannte „Revalidierungen“ einzuführen. Dabei handelt es sich um zahlreiche zusätzliche Abschlussprüfungen am Ende der Schulzeit, die für den Zugang zu Hochschulen entscheidend würden. Es gab sie in der Franco-Zeit, als das Bildungssystem noch stärker Kinder aus der Arbeiterklasse aussortierte. Der Sindicato de Estudiantes weist deshalb darauf hin, dass dieser Regierungsplan hunderttausende Arbeiterkinder von einem Studium ausschließen würde. Gefordert wird nicht nur die Rücknahme dieser „Revalidierungen“, sondern die Rücknahme aller Kürzungen, mehr Geld für den Bildungsetat und die Wiedereinstellung der in den letzten Jahren entlassenen Lehrkräfte.
Für den 24. November hat di Gewerkschaft einen neuerlichen Generalstreik angekündigt, sollte die Regierung ihre Pläne nicht fallen lassen.
Sascha Stanicic

Wer die tiefe Krise der abhängigen Arbeit nicht anprangert, kann auch die Rechtsentwicklung nicht stoppen
von Werner Rügemer

Die EU hat viele Krisen: bankrotte Banken, überschuldete Staaten (auch der Staat mit der schwarzen Null), wirtschaftliche Stagnation. Zur Krise gehören auch die „Volksparteien“, die sich für die Partialinteressen des internationalen Privatkapitals einsetzen und den Boden für die primitivere Variante der nationalistischen Parteien bereiten. Die am meisten verdrängte und verzerrt dargestellte Krise ist die der abhängigen Arbeit. Das gilt nicht nur für Griechenland und den Kosovo, nicht nur für Irland und Spanien, sondern auch für die mächtigsten Staaten Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Weiterlesen

Jede Regierung seit der Unabhängigkeitserklärung Sloweniens 1991 hat versucht, den Hafen von Koper zu privatisieren, und es gibt immer Druck von außen. Einer der wichtigsten Interessenten ist die Deutsche Bahn. Aber auch die Österreichischen Bundesbahnen dürften interessiert sein, denn Koper ist auch der wichtigste Hafen für österreichische Produkte. Im Endeffekt ist es aber egal, woher das Kapital kommt, sie alle wollen ein neoliberales Konzept in Koper etablieren.
Am Freitag, dem 1. Juli, haben wir zu arbeiten aufgehört und mit den schweren Maschinen den Eingang zum Hafen blockiert. Der Grund war, dass die Regierung die Lizenzvergabe für den Hafen ändern will. Das würde dazu führen, dass private Konzerne sich in den Hafen einkaufen können. Das wären die ersten Schritte in Richtung Privatisierung. Und das wäre verheerend für die mehr als eintausend Beschäftigten. Die neuen Regeln sollten auf der Eigentümerversammlung am 1. Juli beschlossen werden. Ursprünglich wollten wir die blockieren. Aber die Regierung hat Spezialeinsatzkräfte nach Koper gebracht, um das zu verhindern. Deshalb haben wir uns am Abend davor entschieden, den Hafen zu versperren. In nur wenigen Stunden haben wir eine sehr starke und radikale Aktion auf die Beine gestellt. Am Montag, also am 4. Juli, war der Premierminister dadurch gezwungen, sich öffentlich von den Privatisierungsversuchen zu distanzieren. Der Protest reichte, um die Regierung fürs Erste zum Einlenken zu bewegen. Aber sie werden sicher wieder versuchen zu privatisieren. Es gibt starken Druck von internationalen Konzernen. Wir hoffen, dass wir stark und organisiert genug sind, um solche Versuche auch in Zukunft abzuwehren.

Mladen Jovicic und Boris Bradac von der „Kranführergewerkschaft des Hafens von Koper” (SZPD). Aus einem in der Tageszeitung junge Welt erschienenen Interview.

Solidarität mit der Opposition gegen Erdoğans Diktatur
von Susanne Rohland

Die Nachrichtenlage aus der Türkei nach dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli ist düster. Mit der Verhaftung von Politikerinnen und Politikern der pro-kurdischen HDP in der Nacht zum 4. November ist eine neue Eskalationsstufe erreicht. Zuvor schon waren mehr als 80.000 Staatsbedienstete suspendiert oder entlassen worden, mehr als 170 Medien und Verlagshäuser wurden geschlossen, 130 Journalistinnen und Journalisten sitzen im Gefängnis. Insgesamt wurden in der Folge des Putsches mehr als 80.000 Menschen verhaftet – die Hälfte davon befindet sich heute noch hinter Gittern. Kriminelle wurden entlassen, um Platz zu schaffen. Neue Gefängnisse werden gebaut. Weiterlesen

Weil sie, als Teil eines landesweiten Friedensprotestes, an einer Arbeitsniederlegung der linken Bildungsgewerkschaft Eğitim Sen am 29. Dezember 2015 teilgenommen hatten, sind am 8. September dieses Jahres 11.285 Lehrerinnen und Lehrer per Notstandsdekret wegen angeblicher Terrorunterstützung – hier: der PKK – entlassen worden. 928 der Betroffenen leben in Hatay, der südlichsten Provinz der Türkei, und davon wiederum 223 in der Gemeinde Samandağ. Am 12. September kamen dort Hunderte zu einer Versammlung gegen die Entlassungen zusammen. Gemeinsam wurde beschlossen, ab sofort und bis auf weiteres täglich eine Sitzblockade auf dem zentralen Abdullah-Cömert-Platz abzuhalten. Und so geschieht es seitdem: am 2. November 2016 zum 55. Mal. „Öğretmenime dokunma – Fass meinen Lehrer nicht an!“ – lautet der Slogan zum Protest. Womit bereits deutlich wird, dass zum Kreis der Betroffenen nicht nur Lehrerinnen und Lehrer gehören, sondern selbstredend auch deren Schülerinnen und Schüler – die wiederum ihre Eltern mitbringen. Seit 55 Tagen. Unterstützung gibt es selbstverständlich von Gewerkschaftsvertretern – und sogar von einigen Vertretern der örtlichen, sozialdemokratisch-kemalistischen CHP. Angesichts der Entlassungen erklären die protestierenden Lehrerinnen und Lehrer unverdrossen: „Wir werden uns der Repression nicht beugen!“ Am 55. Protesttag haben sie unter der Überschrift „Ich kümmere mich um meinen Lehrer“ eine Plattform gegründet, die nicht nur die Betroffenen unterstützen, sondern auch Widerstand und Hoffnung in der Bevölkerung verbreiten soll. Die Sitzblockaden sollen weitergehen.

Das Projekt EU steht nach der Selbstdarstellung für die Schaffung von ARBEITSPLÄTZEN und für SOZIALE SICHERUNG. Doch in Wirklichkeit steigen MASSENERWERBSLOSIGKEIT und PREKÄRE BESCHÄFTIGUNG. Die KLUFT zwischen ARM und REICH vergrößert sich kontinuierlich.
Die EU steht offiziell für FRIEDEN. Doch in Wirklichkeit ist die EU und sind einzelne EU-Mitgliedsländer an einer wachsenden Zahl militärischer Interventionen und KRIEGEN beteiligt. Weiterlesen

Nach der Wahl des Immobilienunternehmers und Milliardärs Donald Trump zum neuen US-Präsidenten wird an manchem Stammtisch überlegt, ob es nicht positive Aspekte bei diesem Wahlausgang geben würde. Vier Stammtisch-Behauptungen und vier FCE-Antworten.

Erste Behauptung aus dem Mund des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen: „Es lässt sich überhaupt nicht sagen, was Trump machen wird. Er sagt ja kaum etwas Zusammenhängendes. Ich glaube, auch Trump weiß nicht, was die nächsten Schritte sind.“
Antwort FCE: Das ist blauäugig, ja Unsinn. Trump hat viele präzise Programmpunkte formuliert. So die Senkung der Unternehmenssteuern, die Abschaffung der waffenfreien Zonen in Schulen oder den Stopp für die Gesundheitsreform („Obamacare“). Aber selbst wenn Trump so dumm sein sollte, wie Röttgen ihn hinstellt: Die USA sind, wie Deutschland, eine Klassengesellschaft. Und sie sind das führende imperialistische Land. Klassengesellschaften werden – sieht man von Revolutionen ab – von einer Minderheit, der herrschenden kapitalistischen Klasse dominiert. Die Vertreter dieser Klasse, also die Bosse von Konzernen, Banken, Hedge Fonds und die Top-Militärs werden Trump gegebenenfalls ihr Programm ins Notizheft schreiben bzw. oder auf den Teleprompter werfen. Warum bloß sind John Paulson und Steve Feinberg die Wirtschaftsberater von Trump? Feinberg kontrolliert den Hedgefonds Cerberus; Paulson verfügt über ein Privatvermögen von schlanken 10 Milliarden US-Dollar und steht auf der Liste der 100 Reichsten der Welt.

Zweite Stammtisch-Behauptung: Trump spricht die Sprache der kleinen Leute und will diese vertreten. So versprach er nach seiner Wahl erneut „25 Millionen neue Arbeitsplätze“ und eine „Verdopplung des Wirtschaftswachstums“ zu schaffen.
Antwort FCE: Trump ist Milliardär. Er hat gezeigt, dass er nicht zu der minikleinen Gruppe derjenigen Reichen gehört, die ihr Vermögen und ihre Privilegien in den Dienst der kleinen Leute stellen. Trumps gesamtes Leben – und er kann auf ein halbes Jahrhundert Berufsleben zurückblicken – bestand darin, dass er kleine Leute schikanierte und mit Verachtung bedachte. Er hat Pleiten hingelegt, und dann kleine Handwerker und kleine Unternehmer im Regen stehen lassen. Er will die Unternehmenssteuern sage und schreibe von 35 auf 15 % und den Spitzensteuersatz von 39,6 auf 33 % senken. Wohlgemerkt: Das sind Steuern für Reiche und Konzerne, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten bereits drastisch gesenkt wurden. Seinen Aufstieg als Medienstar absolvierte er mit einer TV-Serie, die in seiner zynischen Standardfloskel endete „You´re fired – Sie sind entlassen!“. Ja, Trump wird das Wirtschaftswachstum vielleicht steigern. Aber wie konkret? Indem er noch rücksichtsloser als bislang Fracking und Öl- und Erdgasexplorationen zulässt. Indem er Umweltschutzmaßnahmen und Klimaziele beiseite fegt. Indem er den fast zügellosen Raubtierkapitalismus von allen Fesseln befreit.

Dritte Stammtisch-Behauptung: Trump findet, dass Putin, so wie er selbst, ein harter Kerl ist. Und dass er sich „mit dem Kerl verständigen“ könne. Er will das US-Engagement in der Welt reduzieren und vielleicht sogar die US-Mitgliedschaft in der Nato zur Disposition stellen. Das kann doch nur gut sein, weil damit die Kriegsgefahr reduziert wird.
FCE-Antwort: Vergleichbare Sätze müssen eher als wahlkampfbedingt gesehen werden. Einmal abgesehen davon, dass Trump auch auf diesem Gebiet ganz anderes sagte – durchaus auch im Wahlkampf. So will Trump das Iran-Atomabkommen aufkündigen. Er schließt den Einsatz von Atomwaffen z.B. in Syrien nicht aus (Trump: „Wozu haben wir denn diese Waffen, wenn wir sie nicht auch mal einsetzen?“). Vor allem sei nochmals darauf verwiesen, dass Trump als US-Präsident nicht primär ein Individuum ist. So wie Mussolini, Hitler und Franco oder auch Thatcher nur im Zusammenhang mit den jeweils herrschenden Kreisen gesehen werden können. Ein wesentlicher Bestandteil des Machtkartells in den USA ist der militärisch-industrielle Komplex. Dieser drängt auf eine weitere Erhöhung der Rüstungsausgaben. Trump hat dieser Position – mehr Rüstung – durchaus zustimmt. Unter ihm werden auch der Sicherheitsapparat, die Geheimdienste und die Repressionsorgane weiter ausgebaut werden, was denselben Industrien zugute kommt.
Mit Putin mag Trump sich auf der individuellen Ebene vergleichen – wobei Putin ja auch Autokrat ist und im eigenen Beritt, siehe Tschetschenien, auch mit äußerster Brutalität vorgehen kann. Doch kommt es zu einem Konflikt zwischen den USA und Russland, so kann dies schnell in erbitterte Feindschaft und Aggression umschlagen. George W. Bush und W. Putin hatten zunächst ja auch ein „gutes Verhältnis“ (inklusive eines gemeinsamen Schnellboottrips und dem gemeinsames Fischen auf dem Familienferienwohnsitz der Bushs). Doch die Freundschaft hielt nicht lange. Und es war das objektive Interesse des US-Kapitals, die eigene Hegemonie zu erhalten und (z.B. in der Ukraine und in Syrien) auszuweiten, die letzten Endes erneut zum Clash mit Russland und zur Politik der Einkreisung Russlands führten.

Vierte Stammtisch-Behauptung: Was mit dem Trump-Wahlsieg passierte, ist ein unglücklicher Ausrutscher in den USA. Darüberhinaus könnte „sowas“ in Europa nicht passieren.
FCE-Antwort: Der „unmögliche“ Trump ist auch als US-Präsident nicht ganz so einmalig. US-Präsident Nixon hatte einen ähnlich aggressiven und infantilen Charakter. Und beim B-Klasse-Schauspieler Ronald Reagan hatten auch alle Beobachter im Vorfeld der Wahlen gesagt, der Mann sei eine Schießbudenfigur und als Präsident der USA unvorstellbar. Reagan wurde dann zum Frontmann der neoliberalen Offensive – wobei auch er im Hintergrund klug gesteuert wurde. Nixon scheiterte – jedoch nur, weil es die starke Antikriegsbewegung gab, die wiederum den Rückhalt für den bewundernswerten investigativen Journalismus bildete, der in der Watergate-Affäre so entscheidend war.
Kein Trump in Europa? Warum haben dann die Frontfrauen des Front National und der AfD Trump mit als erste gratuliert? Weswegen lobpriesen Viktor Orban (FIDEZ) in Ungarn und Heinz-Christian Strache (FPÖ) in Österreich den Wahlsieg Trumps als wäre es der eigene? Die Rechte in Europa und Trump in den USA sind Fleisch vom Fleische. Der Unterschied ist „nur“ ein doppelter: Erstens gibt es bislang insbesondere in Deutschland noch keine Führerfigur wie Trump eine ist und die das durchaus vorhandene Massenpotential zu mobilisieren weiß. Und zweitens gibt es bislang in Deutschland noch keine relevante Kapitalfraktion und keine Großkonzerne, die auf einen Volkstribun und auf einen Frontalangriff auf demokratische Rechte setzen.

Bilanz: Trump hat ein Programm. Und er steht mit seiner Person für dieses Programm. Die entscheidende Frage wird sein: Gelingt es, einen ausreichend großen Widerstand gegen die Umsetzung dieses Programms von Manchesterkapitalismus und Brutalo-Imperialismus zu mobilisieren? Siehe dazu auch Seite 1.