Das demokratische und soziale Europa, ohnehin ein unvollendetes Projekt, befindet sich Ende Juni 2015 am Abgrund: Doch die einen leben als Kreditgeber in einem Grand Hotel in großem Luxus mit schöner Aussicht, die anderen sitzen als Schuldner auf einer Klippe, immer vom Absturz in den Bankrott bedroht.

Eine sogenannte Troika von mächtigen Institutionen sorgt dafür, dass die Drohung zur Erpressung wird. Schuldnern wie Griechenland wird keine Chance gegeben, der drohende Sturz in den Bankrott soll die Regierung gefügig machen. Soziale und politische Alternativen zur verordneten Austerity sind tabu. Selbst die von der Syriza-Regierung vorgeschlagene Abstimmung über das von der Troika verordnete Sparpaket interpretieren die Finanzminister der Eurogruppe – ein technokratischer Verein, kein politisches, den Wählern verantwortliches Gremium – als eine Provokation. Sie bestrafen Syrizas demokratische Initiative mit dem Ausschluss des griechischen Finanzministers aus den Beratungen der sogenannten Eurogruppe. Sie sind dabei schamlos genug, europäisches Recht zu brechen, um ihr neoliberales Mütchen zu kühlen. Das Schauspiel, das Schäuble, Dijsselblom und die anderen bieten, wird in die europäische Geschichte eingehen als Spektakel eines grandiosen Selbstmordattentats der politischen Elite, gerichtet gegen das europäische Integrationsprojekt.

Die Austeritätspolitik, mit der Staatshaushalte ruiniert und Gesellschaften zerstört werden, betreiben der IWF, die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission zusammen mit der Eurogruppe in Absprache mit den großen Wirtschaftsmächten Europas. Deutschland s Große Koalition der Schäuble, Gabriel und Mer kel ist dabei treibende Kraft. Sie haben mit ihrer Austerity – Politik des sozialen Kahlschlags, der Blockade von Investitionen zur wirtschaftlichen Erneuerung, des Drucks auf die Masseneinkommen und der Schwächung von Gewerkschaften dafür gesorgt, dass sich in Griechenland die Arbeitslosigkeit von 2007 bis 2014 auf fast 30 Prozent verdreifacht hat . Die Jugendarbeitslosigkeit hat sich auf rund 60 Prozent mehr als verdoppelt . Kein Wunder, dass im Vergleich zur Zeit vor der Krise das Bruttoinlandsprodukt um ei n Viertel niedriger, die private Verschuldung um 66% höher und die Staatsschuldenquote auf fast 180 % angestiegen sind. Überall in Europa hat sich die soziale und ökonomische Lage der Menschen verschlechtert, in Griechenland aber in besonders zugespitzter Weise.

Es ist angesichts dieses durchschlagenden Misserfolgs der Troika-Politik verständlich und richtig, dass die griechische Regierung die Notbremse zieht und eine andere als die im Grand Hotel Abgrund vorgeplante Route einschlagen will, zumal die Regier ungen vor Syriza keinerlei Erfolge vorweisen können, obwohl sie den Troika-Vorgaben brav gefolgt sind.

Syriza handel t dabei nicht nur im Interesse Griechenlands. Ganz offensichtlich ist eine Fehlkonstruktion des „europäischen Hauses“ zu korrigieren: Seine Bewohnerinnen und Bewohner sind nicht Bürgerinnen und Bürger mit gleichen Rechten (und Pflichten), sondern Vermögende hier, deren Reichtum auch in der Krise und mit der Krise wächst, und Schuldner da, d eren Schuldenlast in der Krise und wegen der Krise si ch ständig vergrößert. Im Europa des Jahres 2015 kann gelernt werden, was der große griechische Philosoph Aristoteles lehrte: Geld spaltet, man kann daher keine freie und demokratische Gesellschaft der Logik des Geld es folgend , primär auf Basis einer Währungsunion, gründen. Ein „gemeinsames Haus“ verlangt mehr als eine gemeinsame von „Institutionen“ verwaltete Kasse, zumal , wenn deren Repräsentanten unfähig und hasserfüllt gegen demokratische Alternativen sind.

Die euroliberale Politik der vergangenen zwei einhalb Jahrzehnte seit dem Gründungsdokument des Euroraums, dem Maastricht-Vertrag von 1991, hat zur Spaltung der europäischen Gesellschaft beigetragen. Griechenland ist das dramatischste Beispiel. Andere sind vorausgegangen. W eitere werden folgen. Daher haben die Syriza-Regierung und Alexis Tsipras Recht, Respekt vor den Interessen des griechischen Volkes einzufordern und die Achtung der Würde der Menschen und die Stärkung demokratischer Partizipation einzu klagen. Eine demokratische Abstimmung darüber ist ein Muss. Sie ist ein Fortschritt im Vergleich zu den alternativlosen Auflagen der Troika, die den demokratischen Entscheidungsspielraum gegen Null tendieren lassen.

Es geht nicht nur um eine griechische Angelegenheit. Die aktuellen Ereignisse um Griechenland gehen alle Europäerinnen und Europäer an. Die Initiative zur Volksabstimmung über das weitere Vorgehen in der Schuldenkrise gewinnt einen Teil der demokratischen Rechte zurück, die unter die Räder des Troika-Gefährts geraten sind. Wir unterstützen di ese Initiative, weil sie auch in unserem Interesse ist. Wir wenden uns gegen die Versuche der Euro-Finanzminister, jenes kleine griechische Volk aus Europa herauszuamputieren, ein Volk, „dessen universelle Begabung und Betätigung ihm einen Platz in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit gesichert hat, wie kein andres Volk ihn je beanspruchen kann“ – so Friedrich Engels, dessen Todestag sich 2015 zum 120. Mal jährt.

Was bleibt von Europa ohne Griechenland? Eine kulturlose neoliberal kontaminierte, von „den Institutionen“ autoritär verwaltete Wüstenei.

Es sollte selbstverständlich sein, dass eine demokratische Abstimmung über die Troika-Politik in Griechenland und in anderen europäischen Ländern von den „Institutionen“ respektiert wird. Alle Androhungen, die in diesen Tagen aus der Eurogroup, seitens der EZB und der Berliner Regierung zu hören sind, man werde die erforderliche Unterstützung für Athen umgehend einstellen, sind unverantwortlich und antidemokratisch. Hier wird offen mit Finanzchaos gedroht, um auf diesem Weg Demokratie abzuwürgen.

Zeit ist Geld, lautet die oberste Regel der Euro-Finanzpolitiker. Sie verstehen noch nicht einmal, dass demokratische Verfahren Zeit brauchen, dass man sich die Muße nehmen muss, um zu breit akzeptierten Resultaten zu gelangen. Lösungen für die gegenwärtige schwere Krise dürfen nicht einseitig die Schuldner mit harten, ja brutalen und unerfüllbaren Austerity-Auflagen belasten. Die Gläubiger sind an den Kosten der Krise zu beteiligen. Eine Insolvenz, eine Krise mus s einvernehmlich geregelt werden, nicht durch einseitige Schuldzuweisungen und die Austerity-Belastungen der Menschen in einem Schuldnerland. Man sollte in den Salons des Grand Hotel Abgrund nicht vergessen, dass für die Misere der Schuldenkrise die Finanzjongleure und ihre politischen Handlanger die Hauptverantwortung tragen. Die Finanzminister der Eurogruppe haben dies vergessen. Sie sind für ein selbst erzeugtes Desaster verantwortlich, das nun die griechische Bevölkerung auszubaden hat und das mit Zeitverzögerung auch andere Völker Europas treffen wird .

Schande über die herrschende politische Klasse in der Europäischen Union! Solidarität mit der Bevölkerung in Griechenland! Unsere Hochachtung gilt der demokratisch gewählten und Demokratie praktizierenden Regierung in Athen und dem griechischen Parlament und dessen Entscheidung, ein Referendum über die zerstörerische Politik der Austerität abzuhalten.

Unterzeichner*innen: (Stand: 3. Juli 2015, 12.00 Uhr)

Tom Adler / Stuttgart

Prof. Elmar Altvater / Berlin

Malte Albrecht, BA // Universität Marburg/L.

Dr. Dr. Dario Azzellini / Johannes Kepler Universität (JKU) Linz

Prof. Dr. Rudolph Bauer / Bremen

Dr. Dr. Josef BAUM / Universität Wien

Judith Benda / Mitglied im Parteivorstand DIE LINKE

Dr. Günter Berg / Berlin

PD Dr. Josef Berghold / Innsbruck

Prof. Armin Bernhard / Essen

Dieter Bertz / Verleger / Berlin

Gabi Bieberstein / Bielefeld

Dr. Joachim Bischoff / Hamburg

Dr. Miriam Boyer / Berlin

Prof. Dr. Ariane Brenssell / Berlin und Braunschweig

Prof. Dr. Ulrich Brand, Wien

Georg Brzoska / Berlin / Bündnis Griechenlandsolidarität Berlin

Prof. Julika Bürgin / Hochschule Darmstadt

Dr. Florian Butollo / Jena

Laurie Cohen, Dr. phil. / A-6020 Innsbruck

Dr. Hans Coppi

Prof. Dr. Wolfgang Däubler / Bremen

Inge Danielzick / Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt // Bremen

Dr. Judith Dellheim, Ökonomin, Berlin

Prof. em. Frank Deppe / Marburg/L.

Richard Detje / Ahrensburg

Dr. iur. Andreas Diers / Bremen

Gerhard Dilger / São Paulo

Prof. Klaus Dörre / Jena

Hartmut Drewes / Pastor i.R. / Bremer Friedensforum / Bremen

Prof. Ulrich Duchrow, Heidelberg

Jochen Dürr / Schwäbisch Hall

Dr. Marianne Engelhardt-Schagen und Dr. Udo Schagen / Altwustrow-Oderaue

Michael Erhardt / 1. Bevollmächtigter Gewerkschaft IG Metall / Frankfurt/Main

Prof. Dr. Trevor Evans / Berlin School of Economics and Law (HWR)

Dr. Ulrike Faber / Berlin

Dr. Jürgen Fegeler / Berlin

Horst Felgner-Hagn / Eichstätt

Marion Fisch / Hamburg

Katrin Fischer / Verlegerin / Berlin

Dr. Alexander Gallas / Universität Kassel

Dr. Thomas Goes / Berlin

Prof. Dr. Eberhard von Goldammer / Witten

Saskia Gränitz / München

Annette Groth, Mitglied des Deutschen Bundestags, Vorsitzende der deutsch-griechischen Parlamentariergruppe

Dr. Bettina Gruber / Annenheim

Dr. Gregor Gysi, Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE

Prof. Dr. Manfred Haiduk / Rostock

Katharina Hanstein-Moldenhauer / Worpswede (bei Bremen)

Prof. em. Michael Hartmann / Technische Universität Darmstadt

Prof. Dr. Frigga Haug / Berlin

Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Fritz Haug / Berlin

Dr. Marcus Hawel, Berlin

Claudia Haydt / Vorstandsmitglied Europäische Linke / Tübingen

Peter Heintel Freyenthurn

Heike Hänsel / Mitglied des Deutschen Bundestags / DIE LINKE / Tübingen

Prof. Dr. Peter Herrmann EURISPES – Istituto di Studi Politici, Economici e Sociali / Roma / ITALIA

Prof. Rudolf Hickel / Bremen

Wieland von Hodenberg / Friedensaktivist und Autor / Bremen

Inge Höger / Mitglied des Deutschen Bundestags / DIE LINKE

Philip Hogh / Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Bernd Hüttner / Bremen

Dr. Stefanie Hürtgen / Frankfurt am Main.

Prof. Dr. Ulf Kadritzke / Hochschule für Wirtschaft und Recht / Berlin

Dr. Stefan Kalmring / Rosa-Luxemburg-Stiftung / Berlin

Sima Kassaie / Mühltal

Martin Kempe / Journalist / Hamburg

Katja Kipping / Parteivorsitzende DIE LINKE / Berlin

Dr. Harald Klimenta / Autor / Regensburg

Clemens Knobloch / Hochschullehrer / Siegen

Bernd Köhler / Mannheim

Dr. Juha Koivisto / Tampere (Finnland)

Dr. des. Julia König / Goethe Universität Frankfurt am Main

Prof. Ingrid Kurz-Scherf / Marburg/L.

Reinhart Kößler / Arnold Bergstraesser Institut / Freiburg/Brsg.

Dr. Gregor Kritidis / Hannover

Katharina Köpping / Berlin,

Jenny Künkel / Wissenschaftliche Mitarbeiterin / Goethe Universität Frankfurt

Sonja Kube Berlin

Jenny Künkel, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Goethe Universität Frankfurt

Dr. Mike Laufenberg, Technische Universität Berlin

Regine von Larcher / Weyhe

Detlev von Larcher / ehem. SPD-Mitglied des Deutschen Bundestags / Weyhe

Dr. med. Dieter Lehmkuhl / Berlin

Ekkehard Lentz / Sprecher Bremer Friedensforum

Dr. Bernhard Leubolt / Wien

Christoph Lieber / Hamburg

Volker Lösch, Regisseur, Berlin

Jan Latza / Sozialwissenschaftler / Berlin

Sabine Leidig / Mitglied des Bundestags DIE LINKE / Hanau

Harro Läpple / Berlin

Dr. Bernhard Leubolt / Wien

Dr. med. Christine Ligner / Birkenwerder

Peter Ligner / Birkenwerder

Prof. Birgit Mahnkopf / Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Peter Mannherz / Moos (Baden-Württemberg)

Ing. Mag. Martin Mair / Obmann „Aktive Arbeitslose Österreich“

Prof. Mohssen Massarrat / Berlin

PD Dr. Lutz Mez / Berlin

Daniel Mullis / Frankfurt am Main

Bernhard Müller / Hamburg

Elfriede Müller / Berlin

Prof. Dr. Thilo Maria Naumann / Hochschule Darmstadt

Dr. Wolfgang Neef / Berlin

Petra Neuhold / Wien

Holger Niederhausen, Mediator, Berlin

Willi van Ooyen, Wiesbaden,  Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Hessischen Landtag

Oliver Opitz, Hattingen

Dr. Silke Ötsch / Innsbruck

Prof. Dr. Norman Paech / ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags, DIE LINKE / Hamburg

Alexis J. Passadakis / Frankfurt/M.

Dr. med. Sabine Pfeiffer / Berlin

Tobias Pflüger, stellv. Parteivorsitzender DIE LINKE / Berlin und Tübingen /

Dr. Oliver Pye / Universität Bonn

Björn Radke / Bahrenhof

Dr. Nadja Rakowitz / Frankfurt/M . / Redaktion express

Günter Rath / Stuttgart

Prof. Dr. Günter Rausch / Freiburg/Brsg.

Norbert Remppel / Frankfurt/M.

Prof. Dr. Jörg Reitzig / Ludwigshafen

Prof. Dr. Werner Ruf / Edermuende

Prof. Rainer Rilling / Marburg

Werner Rügemer / Köln

Dr. Thomas Sablowski / Frankfurt am Main und Berlin

Gerd Siebecke / Hamburg

Elke Schenk /Sozialwissenschaftlerin Vaihingen / Enz

Maren Schlierkamp / Hamburg

Klaus Schneider / Hamburg

Conrad Schuhler, München (isw)

Dr. Paul Scheibelhofer / Wien

Prof. Dr. Herbert Schui / Buchholz

Dr. David Salomon / Universität Siegen

Bernhard Sander / Wuppertal

Prof. Dr. Werner Schmidt / 13971 Stavsnäs / Schweden

Carita Schmidt, Berlin

Cornelia Schöler / Dip.Pol. / Berlin

Dr. Susanne Schultz / Universität Frankfurt

Prof. Dr. Jürgen Schutte / Berlin

Luis Sergio / Gesamtbetriebsratsvorsitzender / IG Metall / Offenbach

Marianne Sörensen-Bauer / , Psychotherapeutin / Bremen

Eric Sons / Hamburg.

Sybille Stamm / Vorstand Rosa Luxemburg-Stiftung / Stuttgart

Roland Süß / Mitglied im Attac Koordinierungskreis / Birkenau,

Johannes Tesfai / Hamburg

Dr. Vassilis S. Tsianos / Universität Hamburg, Institut für Soziologie

Athena Tsaoussis / Wiesbaden

Daniela Trochowski / Staatssekretärin des MdF Brandenburg / DIE LINKE Brandenburg / Berlin

Margarita Tsomou / Berlin / Herausgeberin Missy-Magazin

Dorothee Vakalis, πάστορας / Pfrin i.R. /  Thessaloniki,

Dr. Markus Vogt / Rottweil

Dr. Stefan Vogt / Frankfurt am Main

Peter Wahl, Vorsitzender von WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V.

Harald Weinberg / Mitglied des Deutschen Bundestags DIE LINKE / Nürnberg

Dr. Thomas Weiß / Berlin

Christa Wichterich / Köln

Dr. Angela Wigger / Radboud Universitaet Nimwegen /Niederlande

Prof. Dr. Markus Wissen / Berlin

Dr. Winfried Wolf / Michendorf

Prof. Dr. Christian Zeller / University of Salzburg

Martin Zeis / Stuttgart

Prof. Aram Ziai / Kassel

Initiativen, Publikationen:

Express. Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit

FaktenCheck:HELLAS (Berlin)

Lunapark21

LabourNet Germany

VSA Verlag Hamburg

Redaktion Zeitschrift „Sozialismus“