Der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl ist ein Sieg der Rechten und eine Niederlage für die Linke. Der zukünftige US-Präsident Donald Trump wird zweifellos versuchen, eine Politik durchzusetzen, die sich gegen die schwarze und die Latino-Minderheit, gegen Frauen und Lohnabhängige, gegen Erwerbslose und Arme richtet. Behauptungen, wonach Trump „kein Programm“ habe und alles „halb so schlimm werden“ würde, sind unzutreffend (siehe S. 2). Dabei unterscheidet sich das rechte Programm des neuen US-Präsidenten im Kern nicht von der Agenda, die die Verantwortlichen in Brüssel und Berlin verfolgen. Um dies zu verstehen, werfe man einen Blick auf das soziale Desaster in Spanien, Italien, Griechenland oder in die Gemeinde der Hartz-IV-Menschen, das Resultat der „aufgeklärten“ und „demokratischen“ Politik der EU. Die flotten und frechen Sprüche, die man von den maßgeblichen deutschen und EU-Politikern beim Thema Trump zu hören bekam, dürfen nicht überbewertet werden. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.
Das Wahlergebnis für Trump erscheint überwältigend. Es muss jedoch bedacht werden: Aufgrund der spezifischen Bedingungen des US-amerikanischen Wahlsystems lag auch bei dieser Wahl die Wahlbeteiligung bei nur 50 Prozent. Gemeint ist dabei die Wahlbeteiligung der US-Bürgerinnen und Bürger im Alter von 18 und mehr Jahren. An die Urnen dürfen in den USA nur diejenigen gehen, die sich registrieren lassen. Das aber heißt: Nur rund ein Viertel der Wahlberechtigten stimmte für Trump. Clinton erhielt in absoluten Zahlen sogar mehr Stimmen als Trump (Trump: 59.358.679; Clinton: 59.593.691). Damit soll das Wahlergebnis nicht schöngerechnet, jedoch nüchtern betrachtet werden.
Es gibt viele objektive Gründe für Trumps Wahlsieg. Da ist zunächst der seit Jahrzehnten sinkende Lebensstandard der Mittelschicht und der Unterschicht. Trump wurde als erfolgreicher Unternehmer und als derjenige wahrgenommen, der für diese Gruppen spricht und für diese Jobs schafft. Sodann gibt es seit Jahrzehnten drastische soziologische, geschlechtsspezifische und ethnische Veränderungen: Der sprichwörtliche „weiße Mann“, auch der ohne höhere Bildung und ohne Hochschulabschluss, war bis in die 1980er Jahre hinein gut beschäftigt, passabel bezahlt und optimistisch hinsichtlich der Zukunft. Vor allem war er „Herr im Haus“. Heute sind viele in dieser Gruppe erwerbslos oder von Abstiegsangst geprägt. Der Anteil der Weißen an der gesamten Bevölkerung ging deutlich zurück. Die Frauenerwerbsquote stieg steil an. Trump erschien als derjenige, der auf den Macho-Resetknopf drückt und den althergebrachten Herr-im-Haus-Standpunkt des weißen Mannes wieder herstellt. Vor diesem Hintergrund erwiesen sich die Enthüllungen über Trumps Frauenverachtung teilweise als Rohrkrepierer. Trump erhielt deutlich mehr Stimmen von Männern als von Frauen. Eine wichtige Rolle beim Trump-Triumph spielt die miserable Bilanz von acht Jahren demokratischer Präsidentschaft unter Barack Obama: Die Arbeitslosigkeit blieb hoch. Die Verbesserungen bei der Krankenversicherung sind unzureichend. Die Schere zwischen reich und arm weitet sich. Die Umweltzerstörung – Fracking! – ist enorm. Trump erschien als der Kandidat, der mit dem politischen Establishment aufräumt. Dies führt zur wohl entscheidenden Ursache für die Trumps Wahlsieg: Die Kandidatur von Hillary Clinton wurde von der großen Mehrheit der Walberechtigten nicht als Alternative wahrgenommen. Frau Clinton steht wie keine zweite Person für das „politische Establishment“. Sie wurde zu Recht als Kandidatin des Kapitals, der Wall Street und des militärisch-industriellen Komplexes gesehen. Vor diesem Hintergrund konnte sich Trump als der große Außenseiter, als politischer Newcomer und als Aufräumer präsentieren. Und nochmals: Er konnte sich bei rund einem Viertel der Wahlberechtigten so verkaufen. Oder auch: Die US-amerikanischen Medien präsentierten ihn so. Noch nie hatte ein Präsidentschaftskandidat eine derart umfassende mediale Präsenz wie Trump sie hatte.
Wahlkampf und Wahlen bilden nur einen Ausschnitt der politischen Realität. Gerade bei diesen Wahlen, genauer im Vorwahlkampf, wurde deutlich: Es gibt in den USA soziale Bewegungen. Es existieren Klassenkampf und soziales Engagement. Es war der Herausforderer von Hillary Clinton, Bernie Sanders, der dieses „andere Amerika“ personalisierte. Er stand für eine Kritik am großen Kapital und für soziale Gerechtigkeit. Er forderte Abrüstung und ein Ende der US-Kriege. Für diese Ziele konnte Sanders im Vorwahlkampf Hunderttausende mobilisieren – viel mehr als Clinton und auch mehr als Trump. In mehreren Umfragen kam damals zum Ausdruck, dass Sanders die besseren Chancen gehabt hätte, Trump zu schlagen.
In der Welt am Sonntag konnte man – übrigens noch vor dem Wahltag – die erstaunliche Einschätzung lesen: „Dem herrschenden System [in den USA] wird von seinen Verlierern keine soziale Utopie mehr entgegengesetzt. Sie verbünden sich stattdessen ausgerechnet mit dem schamlosesten Hyperkapitalisten [Trump]“. Schamlos ist natürlich vor allem der Autor, der dies schrieb. Denn es ist ja das System des Kapitalismus – dasjenige der bürgerlichen Demokratie im Allgemeinen und dasjenige des US-amerikanische Wahlsystem im Besonderen – das eine „soziale Utopie“ ausgrenzt, sie nicht auf den Wahlzetteln erscheinen lässt. Gleichzeitig steckt in dem Zitierten ein wahrer Kern: Nur eine solche „soziale Utopie“, die Perspektive einer solidarischen Gesellschaft und der Kampf für eine solche Alternative weisen eine Perspektive. In den USA. In Europa. Weltweit.