Ein Interview mit der Aktivistin Marina Karastergiou vom Koordinationskreis der Trägervereine Ierissos, Chalkidiki
von Alexis J. Passadakis, Attac in: FaktenCheck:HELLAS Nr. 3, Juni 2015
Griechenland soll zum größten Goldproduzenten Europas werden. Das ist zumindest der Plan des Unternehmens Hellas Gold, das von dem kanadischen Konzern ELdorado Gold mit 95 Prozent Anteil an den Eigentumsrechten kontrolliert wird. Auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki, südöstlich von Thessaloniki, soll dazu ein neuer 200m tiefer Tagebau entstehen. Die Arbeiten haben bereits begonnen. Der Tagebau liegt in einer bergigen Region, die zu 90 Prozent aus Wald, teilweise Primärwald, besteht, und die ein Wasserreservoir für die Region ist. Dagegen formiert sich massiver Protest. Lokale Initiativen wenden sich gegen die weiträumige Zerstörung der Landschaft, vor allem aber gegen die Gefahren für die Menschen durch mit Zyanid vergiftetem Wasser. Mit dieser Chemikalie soll das Gold aus dem Geröll gelöst werden. Abgesehen von den Protesten gegen das Spardiktat bringt kein anderes Thema in Griechenland so viele Menschen auf die Straße, wie diese absehbare Katastrophe für Mensch und Natur.
A.P.: Wie hat sich euer Protest gegen den Gold-Tagebau seit dem Wahlsieg von SYRIZA verändert?
M.K.: Gleich vorweg: Wir haben beschlossen weiter zu machen. Ende März hatten wir eine Demo mit 10.000 Leuten in Thessaloniki. Unser Ziel ist es, den Goldabbau mittels Zyanid dauerhaft zu stoppen. Ich gehöre zu denjenigen, die denken, dass wir sehr, sehr starken Druck auf die Regierung aufbauen müssen, um das zu erreichen. Wir können uns nicht erlauben zu glauben, dass wir unsere Gesundheit und unsere Zukunft von der Couch aus retten können. Andere allerdings argumentieren, dass wir der neuen Regierung mehr Zeit geben müssen, dass wir ihr das Leben nicht zu schwierig machen dürfen. Viele setzen zur Zeit daher auf juristische Auseinandersetzungen. Ich hoffe, dass ihre Geduld nicht von langer Dauer sein wird. Es wird auf alle Fälle weitere Demos in den Bergen geben.
A.P.: Hat SYRIZA seit Regierungsantritt denn schon konkrete Schritte unternommen?
M.K.: Seit Januar gibt es zwei SYRIZA: Da gibt es die SYRIZA, die schon seit Jahren mit uns kämpft – in unseren lokalen Initiativen und auf der Straße. Und es gibt die neue SYRIZA als Regierungspartei. Natürlich ist SYRIZA weiter mit uns. Aber gleichzeitig ist SYRIZA als Regierung nun anders gebunden. Ganz praktisch hat SYRIZA die Lizenz von Hellas Gold zur Metallverarbeitung zurückgezogen, um eine Überprüfung durchzuführen. Das hindert Hellas Gold aber nicht daran, vor Ort Fakten zu schaffen. Die Zerstörung der Wälder beschleunigt sich rasant und ist ein echtes Desaster. Hellas Gold wird übrigens gegen den Lizenzentzug klagen. Außerdem gibt es das Abkommen mit den Troika-Institutionen vom 20. Februar. In diesem hat sich die griechische Regierung verpflichtet, keine „einseitigen Maßnahmen“, das bedeutet keine Schritte ohne Zustimmung der Gläubiger zu unternehmen. Auch deshalb ist ein tatsächlicher Entzug der Lizenz von Hellas Gold kaum machbar. Aber wir lassen uns nicht stoppen, nur weil SYRIZA jetzt an der Regierung ist und wir jetzt angeblich einem Minister helfen müssen, wie einige sagen. Wir wissen, dass SYRIZA die Mine gern schließen würde und an unserer Seite kämpft. Ich denke, SYRIZA muss sehr aufpassen, dass sie diese Regierung nicht wieder verliert. Die Bewegungen müssen ihre Anliegen weiter verfolgen, aber sie müssen auch darauf achten,dass SYRIZA weiter an der Regierung bleibt. Wenn wir wieder den rechten Premierminister Samaras kriegen, haben wir gar keine Wahlmöglichkeiten mehr. Wir haben ein Ziel, und das verfolgen wir unbeirrt weiter. Wir können auf die Probleme von SYRIZA keine Rücksicht nehmen. Wir haben unsere eigenen Probleme. Dieser Tagebau ist unser größtes Problem hier in unserer Region.
A.P.: Hat sich seit Januar die Reaktion der Polizei auf eure Proteste verändert?
M.K.: Am 5. April haben wir in den Bergen demonstriert. Und die Antwort der Polizei war sehr hart: Tränengas. Die Gegendemo der Bergarbeiter wurde von der Polizei abgeschirmt und wir haben die ganze Repression abbekommen. Das ist auch nicht schwer zu verstehen. SYRIZA ist zwar in diesem Staat in der Regierung, aber nicht an der Macht. SYRIZA hat weder Kontrolle über die Polizei noch über die Justiz, wo die alten Regierungsparteien überall ihre Leute sitzen haben. Im übrigen glaube ich auch deshalb nicht, dass uns der juristische Weg letztlich helfen wird, den Tagebau zu stoppen.
A.P.: Was sind eure nächsten Schritte?
M.K.: Im Juni werden wir nach Athen fahren und dort Aktionen und Demonstrationen vor dem Umweltministerium durchführen. Und die Begleitung von Gerichtsprozessen hält uns auf Trab – Hunderte von uns haben wegen Aktionen Verfahren am Hals. Außerdem beginnen wir über das Handelsabkommen zwischen EU und Canada, CETA, zu informieren. Da Hellas Gold mehrheitlich kanadisch ist und ein aggressiver Investitionsschutz inklusive Unternehmensklagerechte im Vertrag steht, ist CETA für uns ein echtes Problem.