Nach der Wahl des Immobilienunternehmers und Milliardärs Donald Trump zum neuen US-Präsidenten wird an manchem Stammtisch überlegt, ob es nicht positive Aspekte bei diesem Wahlausgang geben würde. Vier Stammtisch-Behauptungen und vier FCE-Antworten.
Erste Behauptung aus dem Mund des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen: „Es lässt sich überhaupt nicht sagen, was Trump machen wird. Er sagt ja kaum etwas Zusammenhängendes. Ich glaube, auch Trump weiß nicht, was die nächsten Schritte sind.“
Antwort FCE: Das ist blauäugig, ja Unsinn. Trump hat viele präzise Programmpunkte formuliert. So die Senkung der Unternehmenssteuern, die Abschaffung der waffenfreien Zonen in Schulen oder den Stopp für die Gesundheitsreform („Obamacare“). Aber selbst wenn Trump so dumm sein sollte, wie Röttgen ihn hinstellt: Die USA sind, wie Deutschland, eine Klassengesellschaft. Und sie sind das führende imperialistische Land. Klassengesellschaften werden – sieht man von Revolutionen ab – von einer Minderheit, der herrschenden kapitalistischen Klasse dominiert. Die Vertreter dieser Klasse, also die Bosse von Konzernen, Banken, Hedge Fonds und die Top-Militärs werden Trump gegebenenfalls ihr Programm ins Notizheft schreiben bzw. oder auf den Teleprompter werfen. Warum bloß sind John Paulson und Steve Feinberg die Wirtschaftsberater von Trump? Feinberg kontrolliert den Hedgefonds Cerberus; Paulson verfügt über ein Privatvermögen von schlanken 10 Milliarden US-Dollar und steht auf der Liste der 100 Reichsten der Welt.
Zweite Stammtisch-Behauptung: Trump spricht die Sprache der kleinen Leute und will diese vertreten. So versprach er nach seiner Wahl erneut „25 Millionen neue Arbeitsplätze“ und eine „Verdopplung des Wirtschaftswachstums“ zu schaffen.
Antwort FCE: Trump ist Milliardär. Er hat gezeigt, dass er nicht zu der minikleinen Gruppe derjenigen Reichen gehört, die ihr Vermögen und ihre Privilegien in den Dienst der kleinen Leute stellen. Trumps gesamtes Leben – und er kann auf ein halbes Jahrhundert Berufsleben zurückblicken – bestand darin, dass er kleine Leute schikanierte und mit Verachtung bedachte. Er hat Pleiten hingelegt, und dann kleine Handwerker und kleine Unternehmer im Regen stehen lassen. Er will die Unternehmenssteuern sage und schreibe von 35 auf 15 % und den Spitzensteuersatz von 39,6 auf 33 % senken. Wohlgemerkt: Das sind Steuern für Reiche und Konzerne, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten bereits drastisch gesenkt wurden. Seinen Aufstieg als Medienstar absolvierte er mit einer TV-Serie, die in seiner zynischen Standardfloskel endete „You´re fired – Sie sind entlassen!“. Ja, Trump wird das Wirtschaftswachstum vielleicht steigern. Aber wie konkret? Indem er noch rücksichtsloser als bislang Fracking und Öl- und Erdgasexplorationen zulässt. Indem er Umweltschutzmaßnahmen und Klimaziele beiseite fegt. Indem er den fast zügellosen Raubtierkapitalismus von allen Fesseln befreit.
Dritte Stammtisch-Behauptung: Trump findet, dass Putin, so wie er selbst, ein harter Kerl ist. Und dass er sich „mit dem Kerl verständigen“ könne. Er will das US-Engagement in der Welt reduzieren und vielleicht sogar die US-Mitgliedschaft in der Nato zur Disposition stellen. Das kann doch nur gut sein, weil damit die Kriegsgefahr reduziert wird.
FCE-Antwort: Vergleichbare Sätze müssen eher als wahlkampfbedingt gesehen werden. Einmal abgesehen davon, dass Trump auch auf diesem Gebiet ganz anderes sagte – durchaus auch im Wahlkampf. So will Trump das Iran-Atomabkommen aufkündigen. Er schließt den Einsatz von Atomwaffen z.B. in Syrien nicht aus (Trump: „Wozu haben wir denn diese Waffen, wenn wir sie nicht auch mal einsetzen?“). Vor allem sei nochmals darauf verwiesen, dass Trump als US-Präsident nicht primär ein Individuum ist. So wie Mussolini, Hitler und Franco oder auch Thatcher nur im Zusammenhang mit den jeweils herrschenden Kreisen gesehen werden können. Ein wesentlicher Bestandteil des Machtkartells in den USA ist der militärisch-industrielle Komplex. Dieser drängt auf eine weitere Erhöhung der Rüstungsausgaben. Trump hat dieser Position – mehr Rüstung – durchaus zustimmt. Unter ihm werden auch der Sicherheitsapparat, die Geheimdienste und die Repressionsorgane weiter ausgebaut werden, was denselben Industrien zugute kommt.
Mit Putin mag Trump sich auf der individuellen Ebene vergleichen – wobei Putin ja auch Autokrat ist und im eigenen Beritt, siehe Tschetschenien, auch mit äußerster Brutalität vorgehen kann. Doch kommt es zu einem Konflikt zwischen den USA und Russland, so kann dies schnell in erbitterte Feindschaft und Aggression umschlagen. George W. Bush und W. Putin hatten zunächst ja auch ein „gutes Verhältnis“ (inklusive eines gemeinsamen Schnellboottrips und dem gemeinsames Fischen auf dem Familienferienwohnsitz der Bushs). Doch die Freundschaft hielt nicht lange. Und es war das objektive Interesse des US-Kapitals, die eigene Hegemonie zu erhalten und (z.B. in der Ukraine und in Syrien) auszuweiten, die letzten Endes erneut zum Clash mit Russland und zur Politik der Einkreisung Russlands führten.
Vierte Stammtisch-Behauptung: Was mit dem Trump-Wahlsieg passierte, ist ein unglücklicher Ausrutscher in den USA. Darüberhinaus könnte „sowas“ in Europa nicht passieren.
FCE-Antwort: Der „unmögliche“ Trump ist auch als US-Präsident nicht ganz so einmalig. US-Präsident Nixon hatte einen ähnlich aggressiven und infantilen Charakter. Und beim B-Klasse-Schauspieler Ronald Reagan hatten auch alle Beobachter im Vorfeld der Wahlen gesagt, der Mann sei eine Schießbudenfigur und als Präsident der USA unvorstellbar. Reagan wurde dann zum Frontmann der neoliberalen Offensive – wobei auch er im Hintergrund klug gesteuert wurde. Nixon scheiterte – jedoch nur, weil es die starke Antikriegsbewegung gab, die wiederum den Rückhalt für den bewundernswerten investigativen Journalismus bildete, der in der Watergate-Affäre so entscheidend war.
Kein Trump in Europa? Warum haben dann die Frontfrauen des Front National und der AfD Trump mit als erste gratuliert? Weswegen lobpriesen Viktor Orban (FIDEZ) in Ungarn und Heinz-Christian Strache (FPÖ) in Österreich den Wahlsieg Trumps als wäre es der eigene? Die Rechte in Europa und Trump in den USA sind Fleisch vom Fleische. Der Unterschied ist „nur“ ein doppelter: Erstens gibt es bislang insbesondere in Deutschland noch keine Führerfigur wie Trump eine ist und die das durchaus vorhandene Massenpotential zu mobilisieren weiß. Und zweitens gibt es bislang in Deutschland noch keine relevante Kapitalfraktion und keine Großkonzerne, die auf einen Volkstribun und auf einen Frontalangriff auf demokratische Rechte setzen.
Bilanz: Trump hat ein Programm. Und er steht mit seiner Person für dieses Programm. Die entscheidende Frage wird sein: Gelingt es, einen ausreichend großen Widerstand gegen die Umsetzung dieses Programms von Manchesterkapitalismus und Brutalo-Imperialismus zu mobilisieren? Siehe dazu auch Seite 1.