[Beitrag von Winfried Wolf]
Die Zündschnur für eine Staatspleite Griechenlands ist gezündet. Die Zündler sind dieselben, die für die Austeritätspolitik verantwortlich sind, also diejenigen, die das Land in Richtung Abgrund stoßen. Die Troika aus IWF, EZB und EU, letztere immer in Gestalt der Euro-Group, wissen ebenso, wie die Regierung in Athen, dass die offene Krise spätestens im Sommer 2015 kommt. Bis dahin bleiben für beide Seiten wenige Optionen. Die Option der Regierung in Athen ist die verzweifelte Suche nach kurzfristiger Hilfe und Übergangskrediten. Die entscheidende Option der Troika lautet: Spaltung von Syriza.
Das Gespann Tsipras-Varoufakis betreibe „eine mehrdimensionale Außenpolitik“, heißt es in Athen. Gemeint sind der vorgestrige Besuch von Yannis Varoufakis in Washington beim IWF und die morgige Visite von Alexis Tsipras in Moskau. „Mehrdimensional“ ist hier eher ein Euphemismus. Tatsachen sind:
- Die Europa-Rundreise der Emissäre der griechischen Regierung zeitigten keine Ergebnisse. Es gibt nicht einen Staat in der Eurozone, ja nicht einmal einen Staat in der EU, der die Festung mit Aufschrift „Austerity for ever!“, die Merkel und Schäuble errichten ließen, aufgeweicht oder gar verlassen hätte.
- Es gibt in Europa auch keine größere Basisbewegung, die die griechische Regierung in ihrer verzweifelten Situation nennenswert entlasten würde. FaktenCheck:HELLAS ist ein bescheidener Versuch in dieser Richtung – so wie es andere, vielfältige Versuche der Solidarität gibt, alle aber doch mit viel zu wenig Sichtwirkung nach außen.
- Das Wahlergebnis von Podemos bei der Wahl im spanischen Andalusien signalisierte noch keinen Durchbruch; die Hoffnung, Ende des Jahres, nach der in Spanien anstehenden landesweiten Wahl, könne es in diesem Land eine Regierung geben, die Syriza zur Seite springen würde, sodass die Austeritätspolitik der Eurogroup dann gewissermaßen von Westen und Osten attackiert werden könnte, ist nicht allzu groß.
- Die finanzielle Lage Griechenlands ist kritischer, als dies bei Antritt der neuen griechischen Regierungsantritt Ende Januar erschien. Dies ist einerseits so, weil die rein wirtschaftlichen Ergebnisse des Jahres 2014 nicht so rosig sind, wie sie von der vorangegangenen Regierung unter Samaras dargestellt wurden, und weil sich in diesem Frühjahr 2015 sogar ein neuerliches Absinken Griechenlands in die Rezession abzeichnet. Andererseits hat die Eurogroup die Daumenschrauben weit schneller und ungemein brutaler angezogen, als dies Ende Januar absehbar war. Sie weigert sich konstant, die ausstehende Tranche des letzten sogenannten Hilfsprogramms von 7.2 Milliarden auszuzahlen, solange Athen nicht neue einschneidende soziale Kürzungen vornimmt bzw. neuen Privatisierungen zustimmt – was heißt: solange sie nicht ihr Programm in Gänze verrät.
Vor diesem Hintergrund ist das Motiv für die aktuelle Reisetätigkeit von Varoufakis und Tsipras vor allem pure Verzweiflung. Oder, etwas weniger dramatisch formuliert: Die Hoffnung stirbt – auch hier – zuletzt.
Es gab eine kleine Hoffnung, dass der IWF, auch aufgrund der spezifischen strategischen Interessen der USA, den Kurs der Eurogroup nicht in Gänze mittragen und der griechischen Regierung in der einen oder anderen Form entgegen kommen würde. Das ist nicht der Fall. Varoufakis teilte nach dem Treffen nüchtern mit, man werde am 9. April die fällig werdende Rückzahlung an den IWF in Höhe von 460 Millionen Euro „fristgerecht überweisen“. Gleichzeitig sickerte durch, die IWF-Chefin habe die Forderung nach weiteren Rentenkürzungen erhoben. Trifft dies zu, so heißt dies: Der IWF unterstützt die erpresserische Politik der Eurogroup, die u.a. fordert, dass in Griechenland die sogenannten Zusatzrenten um bis zu 90 Prozent gekappt und damit die Alterseinkommen von Hunderttausenden Griechinnen und Griechen nochmals drastisch abgesenkt werden würden. Damit verfolgen die drei „Institutionen“ eine einheitlich-erpresserische Linie. Troika eben.
Beim morgigen Russland-Besuch von Tsipras geht es u.a. darum, dass Russland zukünftig einen niedrigeren Preis für seine Gaslieferungen an Griechenland verlangt. Im Gegenzug könnte Griechenland der russischen Regierung bei deren Pipelineprojekten entgegenkommen bzw. dafür Sorge tragen, dass auch russische Investoren bei den neuen Erdöl- und Erdgas-Konzessionen im Ionischen Meer zum Zuge kommen. Alles, was darüber hinaus geht – ein mögliches griechisches Veto im Fall der EU-Sanktionen gegen Russland und im Austausch dafür ein größerer, günstiger Kredit seitens der russischen Regierung für Griechenland – ist wenig realistisch.
Das Spaltungsprojekt. In dieser Situation setzt die Eurogroup kaum verhüllt auf die Spaltung von Syriza. Dazu schreiben Peter Spiegel und Kerin Hope am 6. April in der britischen Financial Times: „Viele Offizielle, darunter einige Finanzminister der Eurozone, sagen im persönlichen Gespräch, dass jetzt nur noch eine Entscheidung von Alexis Tsipras […] zur Abspaltung der extremen Linken von Syriza“ eine grundsätzliche Lösung der Krise, ein „Heraushauen“ von Griechenland aus der neuen Finanzkrise ermöglichen könnte. Ergänzend wird dazu „ein Top-Offizieller“ wie folgt zitiert: „Diese Regierung hat keine Überlebenschance“. Als besonders gefährlich in Syriza, weil nicht nur extrem links, sondern auch „beinahe ebenso populär wie der Premierminister Tsipras selbst“, wird Panayotis Lafazanis identifiziert, gegenwärtig der Energieminister im griechischen Kabinett, gleichzeitig führender Kopf der „Linken Plattform“ in Syriza. Lafazanis und die Linke Plattform müssten abgespalten werden, da diese ihre Zustimmung „zu den strukturellen Reformen, die von Griechenlands Gläubigern jetzt massiv eingefordert werden, verweigerten“.
In der britischen Wirtschaftszeitung wird dann auch höchst konkret dargelegt, dass eine neue Regierung gebildet werden müsste unter Einbeziehung der Gruppe To Potami (einer latent neoliberalen neuen Gruppierung) und PASOK (der„alten“ Regierungspartei, zugleich Koalitionspartner in der letzten griechischen Regierung, die so gut wie alle Troika-Schweinerein mit abgesegnet hatte). Schließlich wird dezent darauf verwiesen, dass es in den Fällen Papandreou (2010) und Berlusconi (2011) auch möglich gewesen sei, dass Regierungen in der Eurozone ohne Neuwahlen und durch entsprechendes Wirken der Zentrumskräfte in der Eurozone gestürzt bzw. neue Regierungen (Monti in Italien und Papademos in Griechenland) installiert werden konnten.
Griechische Immobilien zu Schnäppchenpreisen. Wie sicher sich die herrschenden Kreise in Deutschland sind, dass auch die neue Krise in Griechenland bei Wahrung ihrer Interessen gemeistert werden kann, zeigen mehrere Sonderseiten in der Ausgabe der Tageszeitung Handelsblatt vom Osterwochenende. Auf diesen geht es um private Geldanlagen von Deutschen in Immobilien im europäischen Ausland. Klar, als besonders sicher glt weiterhin die Schweiz – 357.000 Deutsche leben inzwischen in der Schweiz, was, auch steuerlich gesehen, eine „gut geschützte Bergfestung“ geblieben sei. Spanien steht bei den Ferienhäusern der Deutschen an erster Stelle. Doch dann folgt auch bereits Griechenland. „Angesichts der günstigen [Immobilien-] Preise“ wollten „gerade vermögende Kreise derzeit die Chance nutzen, in Griechenland zu investieren“. Dabei suchten diese Leute „überwiegend Häuser in der Preisklasse von 400.000 bis 600.00 Euro, zunehmen auch Objekte, jenseits der Millionengrenze.“ Die Preise seien „auf das Niveau von 2002 zurückgegangen“.
Aktuell gehe es bei solchen Investitionen nur teilweise um Eigenbedarf. Häufig handle es sich jetzt „um Anlageobjekte. Renditen von fünf bis acht Prozent“ seien „dank des günstigen Preisniveaus zu erzielen.“
Ein Grexit schreckt da nicht. „Die Sonne überdauert jeden Grexit“, so die Schlagzeile des Artikels im Handelsblatt. Ein Deutscher – Peter Postel, 67 Jahre alt – mit Häuschen in der Nähe von Kap Sounion wird mit den Worten zitiert: „Schließlich bekomme ich meine Rente in Euro“.
Im Fall eines Ausstiegs Griechenlands aus dem Euro wäre das Alterseinkommen dieser „Investoren“ deutlich – weitgehend im Umfang der Abwertung, die eine neue griechische Währung gegenüber dem Euro vollziehen würde – werthaltiger.