Werner Rügemer in: FaktenCheck:HELLAS Nr. 3, Juni 2015

US-amerikanische und britische Militärs zerschlugen nach 1945 in Griechenland den starken antifaschistischen Widerstand: Er durfte nicht an die Regierung kommen. Großbritannien und die USA unterstützten die griechischen Nazi-Kollaborateure und bauten mit ihnen den antikommunistischen Nachkriegsstaat auf. Die USA bauten in Westeuropa einen antikommunistischen Staaten- und Wirtschaftsblock auf. Die wichtigsten Instrumente dafür waren der Marshall-Plan und die NATO. Griechenland wurde 1952 NATO-Mitglied. Es sollte als südlicher Vorposten gegen die neuen sozialistischen Staaten und gegen Tito-Jugoslawien dienen. Die Gelder des Marshall-Plans (1947-1952) wurden auch an die griechische Regierung nur unter der Bedingung vergeben, dass Parteiensystem, Gewerkschaften und öffentliche Verwaltung von Kommunisten, Sozialisten und dergleichen gesäubert wurden.

Doch der demokratische Widerstand ließ sich auf Dauer nicht ganz unterdrücken. 1967 „drohte“ der Wahlsieg des gemäßigten Linksbündnisses Zentrumsunion. CIA und NATO („Plan Prometheus“) halfen griechischen Offizieren und Generälen bei einem Putsch und bei der Installierung eines faschistischen Regimes. Es agierte christlich-nationalistisch als „Retter des Hellenentums“. Oppositionelle wurden gefoltert und auf der KZ-Insel Jaros inhaftiert. Taxi-Lizenzen wurden nur vergeben, wenn die Fahrer als Polizeispitzel arbeiteten.[1]

Mit CIA und NATO kamen US-Konzerne. Der US-Wirtschaftstycoon Tom Pappas – der griechische Auswanderer hatte einmal Papadopoulos geheißen und seinen Familiennamen amerikanisiert – war mit den US-Präsidenten Eisenhower, Nixon und Johnson befreundet. Gleichzeitig war er CIA-Agent. Er baute schon vor dem Putsch in Griechenland eine steuerbefreite Tankerflotte auf und installierte den Ölkonzern Standard Oil of California aus der Rockefeller-Gruppe auf dem griechischen Markt. Mithilfe der Putschregierung baute Pappas dann in Griechenland Abfüllanlagen von Coca Cola auf, mit Lizenzen für den Nahen Osten.[2]

Die britische Labour-Regierung hatte nach dem Putsch verlangt, Griechenland aus NATO und Europarat auszuschließen. Britische Firmen verloren Aufträge. Doch die bundesdeutsche Regierung Kiesinger/Brandt mit Verteidigungsminister Strauß bestärkte westdeutsche Unternehmen, an die Stelle der britischen zu treten: Siemens, AEG, Dornier, Demag, deutsche Werften und der Frankfurter Henninger-Bräu erhielten Aufträge und durften Niederlassungen errichten.[3] Das dabei jahrzehntelang gepflegte Korruptionssystem wurde vor allem beim Siemens-Konzern aufgedeckt: Er schmierte regelmäßig sowohl die „sozialistische“ Pasok wie die „christliche“ Nea Demokratia, auch wenn nur die eine Partei an der Regierung war – es war war ja klar, dass die nächste Regierung nur von der anderen Partei gestellt werden konnte und sollte.[4]

Während der Zeit des Faschismus 1967 bis 1974 und danach wurde das griechische Militär aufgerüstet, unabhängig davon, welche „demokratische“ Regierung amtierte. Bis heute hat Griechenland einen im Vergleich zur Bevölkerungszahl rund doppelt so hohen Rüstungshaushalt wie andere Mitglieder der Europäischen Union. Griechenland ist der größte Rüstungsimporteur in Europa: Importiert werden zum Beispiel Jagdflugzeuge vom französischen Dassault-Konzern (Rafale) und von Lockheed (F-16), aus Deutschland Panzer (Krauss-Maffei Wegmann) und U-Boote (Thyssen-Krupp/Howaldtswerft). Die jeweiligen Regierungen mach(t)en Druck auf die Bezahlung, auch nach der Finanzkrise von 2008.

Hier haben führende Militärs, Politiker und Konzerne ein dichtes Korruptionsnetz gebildet. Bereits 2013 war der Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos zusammen mit 16 Verwandten und Mitarbeitern wegen des Empfangs von 55 Millionen Euro Schmiergeld beim Kauf deutscher U-Boote verurteilt worden – Teile des Schmiergelds hatte er an hunderte griechische Offiziere weitergegeben. 2014 zahlte die Rheinmetall Defence Electronics (Flugabwehrraketen) 37 Millionen Strafgeld für erwiesene Schmiergeldzahlungen in Griechenland.[5]

Aber erst unter der Syriza-Regierung kommt die griechische Justiz so richtig in Fahrt und rollt alte Fälle mit zahlreichen Angeklagten neu auf.[6] Sie will nicht nur Strafurteile herbeiführen, sondern auch Schadenersatz erzwingen.[7] Die Justiz ermittelt unter anderem gegen Eurocopter (Hubschrauber), STB Atlas Electronics, Krauss-Maffei Wegmann. Manager einiger Unternehmen wie Siemens und Ferrostaal wurden schon in Deutschland verurteilt, aber die griechische Justiz rollt die Fälle hinsichtlich der griechischen Mittäter neu auf.

Die griechische Hochrüstung hat also mit wohl verstandenen griechischen Interessen nichts zu tun. Sie wird von außen diktiert. Solche Rüstungskäufe sind wegen der Ausschaltung des Marktes sowieso bereits teurer. Sie wurden durch die Schmiergeldzahlungen an die griechischen Verantwortlichen und durch die „Kickbacks“ an deutsche Manager noch einmal verteuert: Insgesamt also eine Dreifach-Verteuerung. Und eine zusätzliche Ursache für die Staatsverschuldung.

Bei den „Reformen“ und „Sparmaßnahmen“ verlangte die Troika aus Internationalem Währungsfonds IWF, Europäischer Zentralbank EZB und Europäischer Kommission überhaupt keine Reform des Militärs und keine Kürzungen des Militärhaushalts!

 

[1] Griechenland. Sieben Jahre Jucken, Der Spiegel 13/1974; Griechenland – Anatomie einer Diktatur, Der Spiegel 40/1968
[2] Griechenland. Pappas: Prost auf P & P, Der Spiegel 38/1968
[3] Griechenland. Handelsrepressalien, Rache für Rüge, Der Spiegel 32/1968
[4] Transparency International: Der Korruptionsfall Siemens, Baden-Baden 2009
[5] Rheinmetall zahlt 37 Millionen Euro Strafe, Handelsblatt 10.12.2014
[6] Ex-Siemens-Manager müssen in Athen vor Gericht, Handelsblatt 10.3.2015
[7] Griechische Regierung fordert hunderte Millionen von deutschen Rüstungsfirmen, Huffington Post 23.3.2015