Aus: FaktenCheck:HELLAS Nr. 2, Mai 2015
Am 24. April fand in Riga beim Treffen der Finanzminister der Eurozone ein Scherbengericht statt. Achtzehn Finanzminister hetzten gegen den Griechen. Varoufakis sei „Amateur“, „Spieler“, „Zeitverschwender“. Und immer wieder, wie in einer Art Theater-Chor, die Rufe: „Wo ist die Liste?!“ „Wo sind die Reformen?!“ Europaweit wird in fast allen Medien derselbe Chor von Riga angestimmt: „Der Grieche muss liefern“ – „Die Liste!“ – „Die Griechen“ sind „nicht bereit zu Reformen“.
Zur gleichen Zeit gibt es in Griechenland einen zweigleisigen Prozess. Auf der einen Seite fasst das Parlament mit seiner neuen Mehrheit sinnvolle und ermutigende Beschlüsse, die Grundlage für einen sozialen und demokratischen Neubeginn sein könnten. Auf der anderen Seite werden bereits jetzt alle Finanzmittel zusammengekratzt, um elementare Funktionen von Wirtschaft und Gesellschaft am Leben zu erhalten – selbst die ausgebluteten Kommunen werden auf problematische Weise genötigt, die letzten Geldreserven dem Zentralstaat zu übergeben. Dabei ist klar: Bleibt es bei der Blockade durch die Eurozone, dann geht es nur noch um das Hinauszögern des Staatsbankrotts. Eigenständig kann Griechenland den Sommer 2015 nicht überleben; allein in den Monaten Mai bis August muss das Land 11,6 Milliarden Euro an seine internationalen Gläubiger zahlen – ein Ding der Unmöglichkeit.
Um was geht es wirklich? Griechenland geriet 2010 in eine offene Finanzkrise. EU und IWF gewährten dem Land große Kredite, die zu 90 Prozent den europäischen Banken zu Gute kamen. Gleichzeitig wurde durch eine sogenannte Troika, bestehend aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), in Griechenland eine Austeritätspolitik durchgesetzt, mit der die öffentlichen Ausgaben massiv gekappt, dabei vor allem die Bereiche Gesundheit, Bildung und Infrastruktur geschwächt und die Einkommen von Beschäftigten und alten Menschen erheblich reduziert wurden. In der Folge brach die Wirtschaft um mehr als 25 Prozent ein. Die Schulden wuchsen weiter; sie liegen heute trotz eines Schuldenschnitts höher als zu Beginn der Krise. Die Arbeitslosenzahl explodierte.
In dieser Situation wählte die griechische Bevölkerung Ende Januar 2015 eine neue linke Regierung. Sie tat dies trotz der massiven Kampagne, die die EU im Land zugunsten der alten Samaras-Regierung durchführte und obgleich auch die griechischen Medien rechts stehen und sich überwiegend im Besitz von Oligarchen befinden. Die neue Regierung wurde gewählt, weil sie versprach, die brutale Sparpolitik zu beenden und einen sozialen und demokratischen Neubeginn zu wagen.
Und was sagt dazu die Vertreterin des IWF? Was fordert die deutsche Bundesregierung? Was meinen die Eurozonen-Finanzminister, wenn sie im „Format 18 zu 1“ „Reformen“ und eine „Liste“ fordern? Verlangt wird eine Fortsetzung und teilweise eine Verschärfung derjenigen Politik, die in die Katastrophe führte: unter anderem werden die zusätzliche Kürzung der Einkommen alter Menschen (in Form der Kürzung der Betriebsrenten) und eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer verlangt. Unwahr ist, dass es keine Vorschläge der griechischen Regierung geben würde, wie die Talfahrt beendet, wie Reiche besteuert, wie eine sinnvolle Entwicklung erreicht und wie Korruption bekämpft werden können. Doch diese Vorschläge interessieren die Eurozonen-Leute und die IWF-Vertreterin nicht.
Warum ist das so? Um was geht es in Wirklichkeit? Geht es um Geld? Unsinn! Ein großer Teil der Kredite, die an Griechenland flossen, werden nie zurückbezahlt werden – sie haben ihren Zweck erfüllt: Rettung privater Banken. Das, worum die griechische Regierung seit Ende Januar bittet, ist ja auch kein neues Geld. Es geht nur um die Auszahlung von längst zugesagten Krediten, Gelder in Höhe von 7 bis 10 Milliarden Euro, mit denen das Land vielleicht durch das Jahr 2015 kommen würde, womit die neue Regierung eine gewisse Chance erhielte.
Doch genau diese Chance soll sie nicht bekommen. Und DARUM geht es allein. Bereits nach der „Lösung“ der Finanzkrise in Zypern sagte der damals neue Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem: „This is a template“. Die Art und Weise, wie damals die Eurogruppe in die Inselrepublik hineinregierte, sei eine „Schablone“ für spätere Fälle gewesen.
Im Fall Griechenland geht es um mehr. Hier soll ein EXEMPEL statuiert werden. Ein Exempel, das europaweit wirkt und weltweit Signalwirkung hat. Wenn die Bevölkerung eines Landes gegen das Diktat der Konzerne, Banken und der „Institutionen“ EU und IWF aufbegehrt und wenn sich diese gar für einen demokratischen Aufbruch entscheidet, dann wird ihr gezeigt, wo der Hammer hängt. Ihre Vertreter werden vorgeführt, gedemütigt und vor die Alternative gestellt: Entweder sie kapitulieren und akzeptieren Bedingungen, die ihren Grundsätzen widersprechen. Womit sie die Unterstützung der Bevölkerung verlieren. Oder das Land wird in den Bankrott gestürzt, wovor die betroffenen Menschen naturgemäß Angst haben. Weswegen auch diese Entwicklung zum Verlust von Unterstützung für SYRIZA führen würde. Ein Weg, der beiden Zielen dient, lautet: Spaltung von SYRIZA – zum Beispiel in einen „vernünftigen“ Tsipras und in einen „unbelehrbaren“ Varoufakis. Dass mit dieser Politik Demokratie abgebaut wird, ist gewollt. Dass sie Faschismus fördert, wird hingenommen. Schließlich akzeptieren IWF und EU in der Ukraine zur Durchsetzung der neoliberalen Politik bereits Faschisten als Bündnispartner – und gewähren neue Kredite und diskutieren für dieses Land das, was ein linkes Griechenland nicht bekommen soll: einen Schuldenschnitt.
In Griechenland geht es um ein dreifaches Plattmachen: Das Plattmachen einer Wirtschaft im Zeichen der Einheitswährung Euro. Das Plattmachen vielfältiger demokratischer und selbstverwalteter Initiativen. Und das Plattmachen einer Regierung, die in Europa die Hoffnung auf Demokratie und sozialen Neubeginn nährt.
FaktenCheck:HELLAS fordert dazu auf, alles zu tun, um die neoliberale Planierwalze zu stoppen.